Eine fleißige Bloggerin bin ich ja nicht gerade. Hängt damit zusammen, dass ich wieder wie eine Wilde an meinem Roman schreibe. Aaaber: ich gelobe Besserung, damit es auch lohnt, hier regelmäßig mal reinzuschauen.
Anbei ist eine neue Kurzgeschichte entstanden. Nein, nicht der versprochene Hauptbahnhof, dafür die Leiden einer Frisöse in der verquatschten Welt. Findet ihr unter Kurzgeschichten – wo auch sonst?
1. Prämisse der Götter
Meinen Roman habe ich ja schon mal erwähnt. Als er mitsamt meinem Laptop bei dem Einbruch den Verschwindibus machte (siehe Klirrendes Jubiläum).
Seine Geschichte beginnt allerdings schon viel früher, nämlich 2009, als ich noch die Drehbuchschule besuchte. Einer Pause frönend saß ich in einem Berliner Café, da rief mein Freund Matthias Jackisch an. Der ist Bildhauer aus Dresden (seine Seite zu besuchen, lohnt sich sowieso, siehe links) und amüsierte sich prächtig darüber, wie eine alte Kunsthistorikerin mit Feuereifer die Kunst des Drehbuchschreibens erlernte.
„Stell dir doch mal dieses Szenario vor: Krise, die Banken kaufen keine Kunst mehr. Jedenfalls keine, die nicht von namhaften Künstlern stammt.“
Die Krise war damals ja noch ziemlich frisch und wir ahnten erst, wohin sie uns führen könnte.
„Eine kleine Künstlergruppe macht eine Bank.“ erzählte Matthias weiter. „Sie lassen ausgleichsweise Bilder da. Nur einer, so einer, der die Bedeutungslosigkeit überhaupt nicht erträgt, der hat sein Bild signiert.“
Dieser Stoff faszinierte mich von Anfang an. Über einen Mangel an krimineller Energie kann ich nicht klagen. Ich brütete erstmal über der Frage des THEMAS. Drehte es sich um Eitelkeit? Um etwas, das der gute alte Georg Kreisler in dem feinen Satz „jedem Künstler ist es recht, spricht man von andern Künstlern schlecht“ zusammenfasste?
Unser Drehbuchlehrer Wolfgang Pfeiffer hatte uns vor allem eines eingeprägt: entscheidend ist die Prämisse. Ich erzähle eine Reihenfolge von Ereignissen schließlich nicht, weil ich sie so besonders witzig oder tragisch finde, sondern weil ich eine Aussage treffen will. Welche Bedeutung haben die Dinge, die ich erzählen will, vor dem Hintergrund eines ganz bestimmten Themas?
Ach, Wolfgang Pfeiffer, habe ich dir je gesagt, wie dankbar ich dafür bin, dass du so lange auf der Prämisse rumgeritten bist, bis wir fast alle die Krise kriegten?
Für mich war eines klar: die WELT, in der mein Stoff seinen Platz finden soll, ist das Ruhrgebiet. Hier lebe ich, hier kenne ich mich in den Städten, Stadtteilen, Gemäuern und mit der Mentalität der Menschen aus. Diese Welt kann ich dem Leser wie eine kleine Schatzkiste öffnen.
Passt das Thema EITELKEIT in diese Welt? Als die Jungs im Bergbau noch richtig gut verdienten, da war ihre Eitelkeit abends in den Discos zu besichtigen: in teuerste Plante geschmissen sahen sie richtig schick aus mit den Kohleresten in den Wimpern, die wie Kajal wirkten. Aber dem Bergbau mussten wir längst adieu sagen und wenn ich ehrlich bin, langweilt mich Eitelkeit.
Ich beschäftige mich gern mit dem, was ich um mich herum täglich erleben kann. Da ich eine Nordstadtpflanze bin, ist das oftmals die Frage von WERTEN.
Hat Kunst, Kultur hier überhaupt einen Wert oder gehört sie denen, die im Süden der Stadt, im Kreuzviertel oder gleich in Düsseldorf leben? Müssen die Menschen, die hier um ihr Überleben kämpfen, kulturell zwangsbeglückt werden? Was ist mir die Freiheit wert, Zeit zum Malen, Schreiben, Denken und Dösen zu haben? Was ist Arbeit wert? Muss sich der Harzer schämen, der am 31. in der langen Schlange vor den Nordstadt-Bancomaten steht und sich hinterher von der Nachbarin, die den hinterletzten Job der Welt ergattert hat, auch noch anhören darf: „die haben heute Geld gekriegt“? Darf man zu einer Vernissage gehen, weil es da neben Sekt und tiefen Ausschnitten auch ein prima Buffett gibt? Für die eine hat die Nordstadt, das Ruhrgebiet den Wert von Heimat und Inspiration, für die andere den von Abenteuer – „da würde ich mich nachts alleine nie durchtrauen“…
Kurzum: ich erkor nach langer Suche und vielen Versuchen die Frage nach Werten zu meinem THEMA.
Welchen Wert hat Kunst, Kulturschaffen für uns? Muss man nicht reichlich plemkacki sein, wenn man sich dafür entscheidet und auf ein bequemes Leben mit Auto, Urlaub, Essengehen und Fußbodenheizung verzichtet?
Aus einer anderen Sicht betrachtet: 1000 Euronen für ein Bild, von dem man nicht mal weiß, wo oben und unten ist? Wie viele Karten für’s Stadion kriegte ich dafür? Aber mein Frollein Tochter, die hat mindestens so tolle Kümpchen wie die Heidi und wird bestimmt das nächste Supermodell. Wenn sie dann megareich ist und wir die Villa auf Manilla haben, dann hängen wir da auch ein ganz berühmtes Bild rein.
Fragt sich, ob Werte überhaupt materieller Natur sind. Wenn ich jetzt unbedingt ein Cabrio besitzen muss, geht es mir dann um die 20.000 Mille, die es kostet oder um den Wind in den Haaren und die neidischen Blicke der Nebenans?
Zu den alten Werten des Ruhrgebiets gehörte der Zusammenhalt. Weil unter Tage nicht viele überlebt hätten, wenn sie sich beim Krachen im Gebälk einen Kopf drum gemacht hätten, ob der Kumpel neben ihnen aus dem Kreuzviertel, aus Plovdiv oder gar aus königsblauem Revier kommt. Seit wie vielen Jahrzehnten faseln wir hier jetzt vom Strukturwandel? (m.E. ist der längst inne Strukturwanne abgesoffen) Wandeln sich die Werte mit der Struktur? Wenn man gar keine mehr oder noch keine neue Struktur hat, hat man dann auch keine Werte mehr oder ist anderen nichts mehr wert? Kann Kunst, Kultur, zu dieser unserer Wertschätzung etwas beitragen?
Das wollen wir doch mal sehen, sagte ich mir, als ich meine Prämisse nach langer Jahre Vorarbeit und mit dem entscheidenden Hinweis von Sybille (siehe links, huhu, Sybille!) auf die Wertedebatte endlich beisammen hatte:
Stoff: Künstler machen eine Bank, lassen Bilder da, doch einer kann nicht anders: er signiert, was ein Bild ja wertvoller machen soll.
Welt: Ruhrgebiet, Dortmunder Nordstadt, Welt des Strukturwandels
Thema: die Werte des Lebens
Thematische Frage: für welche Werte lohnt es, das hohe Risiko eines Bankraubs einzugehen?
Idee: die Erkenntnis der Werte hinter den Dingen ist immer das Risiko der Veränderung wert.
Plot: Magdalena will ihre Heimat in der Nordstadt erhalten. Sie kämpft und – – – ich werde jetzt doch nicht verraten, ob sie gewinnt oder scheitert.
Wer soll jetzt Magdalena sein? fragst du dich.
Das erzähle ich nächstes Mal und sage mutig: in einer Woche!