Astrid Petermeier

Neues aus dem Rührgebiet

5-Minuten-Terrine. The next Generation.

| 2 Comments

Ich erhielt diese Suppengeschichte samt Fotos von meiner Freundin Susanne per Mail und habe so gelacht, dass ich euch das große Gruseln nicht vorenthalten will:

Erstsemesterbegrüßungstüten sind Nostalgie pur. Die Verschmelzung des Wundertüten-Zaubers mit der grenzenlosen Freiheit des Erwachsenenlebens at-its-very-beginning. Neben unsinniger Werbung hatte ich schon die verrücktesten Sachen da drin. Einmal sogar Klo-Duftkugeln in Blau und Lila. Die mussten in einem Karton neben den Erstsemestertüten untergebracht werden, weil sie derart stanken, dass sie sonst nicht nur die Mensa-Luft verseucht hätten, sondern auch jede Tüte völlig kontaminiert worden wäre.
Letztens war Mate-Limonade drin und ein Becher Fertigsuppe. Wie sich herausstellen sollte, eine super Sache! Sah schräg aus, wegen schwarzer Packung und sehr langem „Ingredients“-Text, der nur aus Nummern und komischen Worten bestand und nichts sagte von „Hühnereiweiß“ oder meinethalben: „Hefeextrakt“. Das hätte ich ja wiedererkannt … und es wäre kein Abenteuer gewesen.

Zunächst war klar: sowas esse ich natürlich nicht!
Aber wegschmeißen? Ach nee, wer weiß… Und so verschwand er für schlechte (sehr schlechte) Zeiten im Büroschrank. Dass ich ihn dann doch aß, wie kam das? Warum macht frau sowas? Jau, wat soll ich sagen: kein Frühstück und nix Gescheites für Mittach – also nur Brot, ohne wat für drauf – da kann‘zeschomma‘ schwach werden, woll? (keine Ahnung, aber das musste in Ruhrpott-Dialekt. Vielleicht wegen meiner ersten Semester an der RUB…/ Liebe Susanne, der Pott ist stärker als du denkst: uns kommt sonne Suppe nich‘ inne Tüte, wonnich? A)
Der Mangel an schmackhaften Alternativen reichte, um meine verkorkste Seele zu korrumpieren. Wie schon bei Brecht: Erst kommt das Fressen und dann die Moral.
Und so begann mein Selbstversuch mit Terrine X. Nostalgie trifft Food-Hightech des 21. Jahrhunderts. Wenn du das Zeug aufmachst, liegt oben ein schwarzes Beutelchen mit Würzsoße. Das musst‘e erstmal entfernen, für später. Und dann geht das Abenteuer los.

Als ich das kochende Wasser auf die bis zur Hälfte der Becherhöhe enthaltenen Trockennudellocken und Gefriertrockengemüse gieße, steigt nichts hoch! Nichts!! Niente! Nada! Das bleiche Nudelgekröse mit grünen und roten Punkten bewegt sich überhaupt nicht. Kein roter Punkt steigt nach oben, kein grüner verlässt seinen Platz, keine krause Asiennudel rührt sich. Die Naturgesetze sind außer Kraft gesetzt! Weißt du, was das für ein Gefühl ist, wenn du dabei zuguckst, wie etwas nicht passiert, was einfach passieren muss? Als sähest du einen Kunstfilm, der mit der Erwartung der Zuschauer seinen Schabernack treibt. Oder die Plastikattrappen der Teller mit Reis, Gemüse und Scampis im Schaukasten vor Chinaimbissen. Oder die Dauerwelle von meiner Oma: betonfest im „irgendwo da drunter“ verankert.

Und dann das zweite Ei: Du rührst nicht um! Nein, kein bisschen, sondern nach Aufgießen des Wassers bis zum Eichstrich schließt du die Terrine sanft mit dem orangen Deckel und wartest 3 Minuten. So weit, so bekannt. Bis auf einen gravierenden Unterschied:
Dieser Deckel hat Löcher! Er ist zum Abgießen des Wassers perforiert. Wie kann das nun sein, dass da am Ende noch was abzugießen ist, fragt sich die terrinenkundige Hungrige zu Recht? Müsste die Feuchtigkeit nicht völlig vom Gefriergetrockneten absorbiert werden? Das kann doch nicht weich werden, ohne das Wasser aufzunehmen?
Aber is‘ so. Nach 3 Minuten nehm‘ ich den Becher vorsichtig und gieße das Wasser ab.
Und das ist dann richtig geil: Das Wasser läuft so klar wieder raus aus dem Becher, wie ich es reingeschüttet habe. Und auch viel. Also nicht nur ein kleiner Rest, weil die Nudeln und das Gemüse das Wasser aufgesogen haben. Nee. Es läuft lange aus den Löchern des Deckels eh Ruhe ist. Da hat das Wasser also die magisch am Boden gehaltene Nudel-Gemüse-Trockenmasse quasi umspült, ohne dass diese sich bewegt oder eine Vereinigung stattgefunden hätte. Passt in unser Zeitalter der unfruchtbaren Früchte, des sterilen Saatgutes, der Retortenzeugung.
Naja. Dann hab‘ ich die Würzsoße aufgemacht. War schon etwas aufregend. Schwarzer Beutel. Teufelsbrut. Hab den „Würzbeutel“ allerdings – nennt es feige oder umsichtig – nur teilentleert, um mein ob des Genusses befürchtetes vorzeitiges Ende etwas hinaus zu zögern. So viel Bio im Chemo muss sein, dachte ich, einen Rest Würd/ze bewahrend.

Also ohne Scheiß jetzt: war echt essbar. Dann war die Terrine alle und ich noch nicht satt. Kommt vor. Wäre nur ein Problem gewesen, wenn ich nicht die Erinnerung an die goldenen Kindertage sehr präsent hätte, als ich Maggi aufs Brot aß. Hmmm war das köstlich. Mit dick gute Butter drunter. Also her mit der Würzsoße und ab auf mein „Brot ohne wat für drauf“. Was soll ich sagen? Astrein!

Jetzt überleg‘ ich, wo ich so schwarze Beutel her kriege. Oder die Suppen, in denen die schwarzen Beutel drinstecken. Wieder was, was frau in der Freizeit recherchieren kann 🙂

So, nu is Mittach. Mahlzeit.

Susanne Geuer

 

2 thoughts on “5-Minuten-Terrine. The next Generation.

  1. sattmachend ist gut: hatte nach dem Lesegenuss jedenfalls keinen Hunger mehr.

  2. Herzhaft großartig und genüsslich sattmachend beschrieben… Mehr..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.