Astrid Petermeier

Neues aus dem Rührgebiet

Eine Reise zu den Sternen der Nordstadt. 5. Station: VENUS – Atelier Gudrun Kattke

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Die Sonne durchzieht das Zeichen Waage und ich bin schon wieder auf der Venus gelandet. Dies nicht nur, weil meine erste Nordstadtvenus sich verabschiedet hat (Frau JanThra hat die Taimassage an einen Nachfolger abgegeben). Vielmehr beherrscht die Venus aus astrologischer Sicht zwei Tierkreiszeichen: im Stier ist sie die sinnliche Venus Pandemos, in der Waage die luftige Venus Urania, mit großem Interesse an Kunst, Musik, Literatur.
So bin ich im Atelier der Künstlerin GUDRUN KATTKE in einem Nordstraßen-Hinterhof gelandet.

Sprich: meine zweite Nordstadtvenus ist kein öffentlich zugänglicher, aber ein höchst spannender Ort (für alle besuchbar ist ihre homepage, www.kattke.de, siehe Lesezeichen). Mir kam das ausgesprochen gut zupass, denn mein nun endlich fertig geschriebener Roman spielt zu großen Teilen in einem erfundenden Atelierhaus an der Nordstraße, das keineswegs diese,
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aber doch unsere typische Gemengelage-Hinterhofromantik hat. Nee, Gemenge-Lage ist keine astreine Schlägerei (Ruhrdeutsch Mische), sondern ein Stadtgebiet, in dem in Vorderhäusern gewohnt und in den Hofwerkstätten gearbeitet wird.

Gudrun Kattke ist eine Sachensucherin, für die (nicht nur) die Nordstadt ein Eldorado ist. Sie sammelt und verarbeitet alles Mögliche vom Abakus bis zum Totenkopf, sodass ihr drei-etagiges Atelier zu einem überquellenden Ort voller wunderlicher Arrangements geworden ist.Sauberzurück288
„Wenn du jetzt fragst, ob ich mit einem Griff oder Gedanken sofort finde, was ich brauche…“ lacht sie: „Nö!“
Ich bin beruhigt: sie ist Künstlerin, kein Wunderkind. Ebenso wie ihr Atelier birst sie von Ideen und Dingen, die es gilt, in die Tat um zusetzen: Malerei, Zeichnungen, Laminate, Installationen, die in die zauberhafte Welt der Dinge führen, die wir als nutzlos erachten.
Ich könnte Stunden und Tage vor einer Stadt verbringen, die ihr Wesen auf einem Tisch und mehreren Stühlen führt. Mich fasziniert die Vorstellung davon, wie sie gewachsen ist – eben nicht auf dem Reißbrett, sondern mitten aus dem Leben, aus einer Zeit, in der Städte noch wucherten, sich ein Haus an das andere klammerte, um Labyrinthe auszubilden. Zugleich bin ich überwältigt von all den Einzelteilen, ihren Größenverhältnissen, ihrem Witz.
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Ob sie verrückt sei, wurde sie mal gefragt. Dieses Spielzeughaus sei heute richtig was wert! Schon sind wir bei einer zentralen Frage ihrer Kunst: was heißt denn „etwas wert sein?“ Sind die haardünnen Fasern, die die Stadtteile von Kattkes Kunststadt verbinden, etwa nur Staubfänger?
Versorgungsleitungen, erklärt sie mir und ich fühle mich an die aktuelle Debatte um die Milliarden erinnert, die Versorgungsleitungen von der Nordsee bis Bayern kosten sollen. Der Wert dieser Stadt auf Tisch und Stühlen liegt in den Fantasien, die sie weckt und sprudeln lässt.
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„Sei liebevoll und suche die Schönheit in Menschen und Dingen.“ ist eine Aufgabe des astrologischen Venus-Prinzips. Gudrun Kattke findet die Schönheit in der Kombination von Dingen, von Malerei und darauf aufgebrachten Gegenständen, die man wiedererkennen oder neu definieren kann.
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Sie fordert unseren Schönheitssinn so heraus, wie es die Kunst des Barock tat, die wegen ihres Überschäumens von Kunsthistorikern lange genug (bis etwa 1920) als „schlechter Geschmack“ gegeißelt wurde. Das Problem der Waage-Venus besteht oft darin, eine Entscheidung treffen zu müssen. Wenn es auf uns so wirkt, als haben sich die Barocker und Gudrun Kattke vor der Entscheidung gedrückt – dem ist keineswegs so. Es geht nicht um die Frage des Überladenen sondern um die des Sinnvollen eines Einzelteils im Gesamtzusammenhang.
Wir unterhalten uns darüber, dass Kunstschaffen ein einsames Geschäft ist. Manchmal, sagt Gudrun, hätte sie gern jemanden, den sie fragen könnte: „würdest du dieses oder jenes nehmen?“ Nicht, um dann unbedingt zu tun, was dieser Jemand vorschlägt. Gedanken und Vorstellungen spiegeln sich nun mal gern im Kontakt.
Ebendrum wird Venus so gern mit einem Spiegel abgebildet. Er ist Symbol für Vergänglichkeit und in-Kontakt-treten zugleich – das Erkennen der Andersartigkeit, die im Anderen liegen kann.
Seltsam, erst, als ich ihr Atelier verlasse, fällt mir auf, dass meine Romanheldin Magdalena zu etwas findet, das Gudrun Kattkes Kunst ausmacht: scheinbar Wertloses, Liegengebliebenes, als Müll Deklariertes aufzuwerten – den Wert der Dinge und ihrer Schönheit zu hinterfragen. Die zwei Stunden, die ich bei ihr verbringen durfte, waren mir viel wert.
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