Astrid Petermeier

Neues aus dem Rührgebiet

Zum Frieden gehören der Wille dazu und das Handeln

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DAS SÜHNEKREUZ in Hambach/Neustadt a.d. Weinstraße

eine der ältesten Gedenkstätten, die von Deutschen nach dem Krieg errichtet wurden

Es ist wieder so weit: die Herbstferien und die Weinlese stehen vor der Tür und nicht nur Lehrerinnen nutzen diese Zeit, sich an der pfälzischen Weinstraße mit Leckerchen einzudecken. Oder, um mit einem Besuch des Hambacher Schlosses ihre Geschichtskenntnisse aufzubessern. Ein Teil deutscher Geschichte (das Hambacher Fest von 1832), den AfD und andere rechtsradikal Verirrte seit zwei Jahren zu vereinnahmen suchen, wogegen man sich (nicht nur) in Neustadt/W. heftig wehrt – was über die Region hinaus viel zu wenig zur Kenntnis genommen wird.

Es gibt mehr Historisches zu erkunden in Neustadt-Hambach, weshalb ich hier Claudia Dorkas Beitrag über eine Wanderung veröffentliche, der mich sehr berührt hat.

Das Sühnekreuz in Hambach –
Eine zeitlose Friedensmahnung auf Nord 49°19,659′, Ost 8°06,739′

Dienstag, 11. Juni 2019, 10 Uhr.
Karl Beil (87), alteingesessener Hambacher und ich, Claudia Dorka (53), Neuhambacherin treffen uns in der Eichstraße mit dem Ziel Sühnekreuz. Von Hambach aus ist es zurzeit nicht zu sehen, hochgewachsene Bäume verdecken den Blick auf das 1947 errichtete Mahnmal. Gemeinsam wollen wir hochlaufen. Für mich ist es das erste Mal, für Karl Beil ist es ein vertrauter Weg.

Während wir am Weingut Schäffer links vorbei den Demokratiepfad hochgehen, erzählt er mir, dass das Sühnekreuz damals in zwei Teilen von der Jakobuskirche aus hochgetragen wurde. In einer alten Ausgabe des Hambacher hatte ich gelesen, dass der Längsbalken über 12 Meter und der Querbalken über 5 Meter gemessen hat. Männer der Katholischen Mannesjugend aus der Diözese Speyer stellten 30 Kreuzträger. Und der 16-jährige Karl Beil war einer von ihnen: „Es war eine körperliche Anstrengung. Das Holz war grün, das hatte 60/70% mehr Gewicht als wenn es getrocknet gewesen wäre. Es war Schwerstarbeit.“ 4 Wochen Vorarbeit hatte es gebraucht, so erzählt er, um den Standort herzurichten, 3,5cmb Kies, 10 Sack Zement, 2 Eisenschienen wurden mit Schubkarren hochgebracht, ein Weg musste geschlagen werden, das Wasser wurde vom Schlossplatz hochgetragen, die Steine des Altars einzeln behauen und gesetzt. Der damalige Domvikar und Jugendseelsorger Josef Schwartz hatte den Anstoß für die Errichtung eines Sühnekreuzes gegeben. Karl Beil beschreibt mir, wie das damals gewirkt hatte: „Viele, die dabei waren hatten den Krieg erlebt, wir wollten ein Symbol setzen, als Mahnung für die Zukunft, das so etwas nie wieder geschieht.“
Auch das erfahre ich, es war das Notjahr 1947, die Menschen hungerten, es gab so gut wie nichts. Wer mitmachte, tat dies aus purem Idealismus. Während wir an der Ritterschänke links hochlaufen und immer weiter in den Wald hineingehen, versuche ich mir bei jedem Schritt vorzustellen, ich wäre Teil dieser Prozession, würde den Männern, die die Balken tragen, langsam folgen, wäre Eine unter den achthundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Und alle wären wir hier, weil wir ein Zeichen setzen wollen „Zur Sühne für unsere Schuld vor Gott“ wie die Inschrift im Kreuz bezeugt. Ich weiß, wie wichtig dieses Sühnekreuz Karl Beil ist und mir wird von Schritt zu Schritt klarer, warum. Es symbolisiert das zeitlose „Wehret den Anfängen und steht ein für Mitmenschlichkeit und ein friedvolles Miteinander“.

Kurz hinter dem Wanderwegweiser zum Sühnekreuz kommen wir an einem handgeschnitzten Zeichen vorbei. Karl Beil hat es gefertigt. „Ich habe die Notzeiten, den Krieg und die Nazizeit nie vergessen. Wer das miterlebt hat wie ich, stellt sich entschlossen gegen Ungerechtigkeiten und gegen Kriege.“ Schweigend gehen wir weiter bis sich der Weg hin zum Altar und dem Kreuz öffnet.

Ein ruhiger, eindrücklicher Platz. Wir sind auf 532 m Höhe und die Rheinebene mit all ihrer Geschäftigkeit liegt unter uns. Ich habe gelesen, dass dieses Kreuz zu den ältesten Gedenkstätten, die von Deutschen nach dem Krieg errichtet wurden, gehört und frage mich, wie viel Widerstände Domvikar Schwartz damals hat überwinden müssen.
„Ich muss Frieden vorleben“, sagt Karl Beil in die Stille, „wenn ich mit meinem Nächsten Streit habe oder auch nur Menschen nicht anschaue, weil ich die seltsam finde, dann ist das kein Frieden. Zum Frieden gehört der Wille dazu und das Handeln.“
Und um das alles auch unserer Gesellschaft zurück ins Bewusstsein zu rufen, ist es ihm wichtig, das Sühnekreuz wieder sichtbarer werden zu lassen. Und dazu gehört auch, dass das Kreuz von Hambach aus zu sehen ist. Er zeigt mir welche Bäume die Sicht verdecken. Diesen Winter sollen sie geschlagen werden.
Noch ein Blick aufs Schloss und dann machen wir uns auf den Rückweg.

„Frieden ist das höchste Gut und Versöhnung so wichtig. Deshalb möchte ich dieses Mahnmal wieder lebendig in das Bewusstsein der Menschen rufen.“ erklärt mir Karl Beil noch abschließend. Ich bin gemeinsam mit ihm diesen Weg gegangen, weil ich rausfinden wollte, was dieses Symbol für einen aus seiner Generation bedeutet.
Karl Beil hat es während unserer Wanderung so beschrieben: „Wir hatten uns schuldig gefühlt, wegen dem was in der Nazizeit passiert ist und wir junge Menschen von hier haben uns verpflichtet gefühlt, bei der Erstellung des Sühnekreuzes mitzuhelfen. Und jetzt erlebe ich, wie dieser Frieden und die Mitmenschlichkeit wieder so verletzlich geworden sind. Wir müssen uns darum kümmern.“
Ja, denke ich mir, das Sühnekreuz auf dem Rittersberg ist ein guter Ort, um das Vergangene und das jetzige Leid von Menschen in Kriegen, Vertreibung und Unterdrückung anderen nahezubringen, es erfahrbar werden zu lassen. Auf unserem Rückweg haben wir beide gemeinsam davon geträumt, wie es wäre, wenn sich wieder Menschen fänden, um gemeinsam zum Kreuz aufzubrechen. Diesmal vielleicht in einer überkonfessionellen, interreligiösen Begegnung für Männer und für Frauen, für Menschen von Hier und aus der Fremde. Ganz im Sinne von Pfarrer Hermann Mathes, um Mahnzeichen zu setzen „gegen Krieg, Terror und Unterdrückung in der ganzen Welt“.

Text und Fotos: Claudia Dorka
(der Text erschien erstmalig in „Der Hambacher“, Ausgabe 54/2019)

 

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